Be Kind

„Du kannst mit mir schwach sein, ohne Stärke zu provozieren“, sagt er. Ein paar Tage später sitze ich an der gleichen Stelle im Cafe mit Blick auf unsere Stadt. Die Sonne geht bald unter und ich schaue hinauf in die blauen Löcher, die sie in die dichte Wolkendecke dieses Regentages schmilzt.

Schwach sein dürfen. Ich erinnere mich an die Zeit, als mein Körper in eisenharter Vollmontur gepanzert war. Als Traumaschicht um Traumaschicht jede Bewegung kontrollierte und mir kaum Luft zum Atmen, geschweige denn mich weich sein ließ. Ich staune heute immer noch über das Wunder, dass ich überhaupt am Leben blieb. Ein Wunder auch, weil ich heute weich sein kann und zart. Weil all die Panzerungen über die Jahre schmelzen, weicher werden, sie unter meinen Händen aufbrechen und ganz oft brauche ich in selbst in Kontakten außerhalb meiner privaten freundschaftlich gestimmten Realitätsinsel gar keine Schutzmechanismen mehr und bin so, wie ich bin. Es berührt mich heute zu sehen, dass auch in meiner Businesswelt diese Freundlichkeit und das authentische Interesse am Anderen in seiner Art und Weise den Tag bestimmt. Das habe ich mir viele Jahre gewünscht. Kindness. Überall. In allen Lebensbereichen als Grundgesetz.

Im Moment.

Dieser Kontakt vor ein paar Tagen hier am Cafetisch mit den hohen Barhockern war ein besonderer. Ein Moment, in dem zwei Menschen in ihrer Präsenz und Stärke einander ihre Weichteile anvertrauen. Und nichts geschieht. Wir atmen einfach weiter. Keiner von beiden wird weicher oder härter. Keiner ordnet sich unter oder stellt sich drüber. Wir bleiben auf Augenhöhe in unserem Raum. Wir sind regelmäßig so gar nicht einer Meinung. Und das freut mich. Es ist einfach ziemlich unspektakulär mein ganz persönliches Wunder.

Wie lange habe ich mich nach diesem Moment gesehnt. In dem ich bei mir bin und du bei dir bist. Und wir beieinander. Gesunde Grenzen ermöglichen eine Kontaktfläche, die im Zwischenraum unserer Menschlichkeit Räume öffnet. Räume für Intimität und Freiheit. Räume für Geborgenheit und Reibungsfreude. Räume für Lust an Kontakt und Entdecken, was möglich ist in Beziehungen und in diesem Leben.

Jetzt sitze ich hier am gleichen Tisch und die Abendsonne hat sich durchgesetzt. Die Wolkendecke ist aufgebröselt wie der Keks, den ich mir vor ein paar Minuten schmecken ließ. Im Licht ihrer Strahlen träume ich mich noch tiefer in eine Realität, in der Freundlichkeit ein unverrückbarer Wert unserer Gesellschaft ist.

Be Kind.

Ich wünsche dir Menschen, mit denen du schwach sein kannst, ohne Stärke zu provozieren. Weder die Deine noch die deines Gegenübers.

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